Veranstaltungsnews  – 

Biologischer, schneller, weniger invasiv

Endlich war es wieder so weit: Am 14. und 15. Oktober 2022 trafen sich in der Nähe von München über 600 implantologisch tätige Kolleginnen und Kollegen zu einem großen internationalen Kongress. Veranstaltet von der Oral Reconstruction Foundation wurde einerseits aktuelle evidenzbasierte Forschung zu wichtigen klinischen Fragen präsentiert. Andererseits bot der Kongress zahlreiche praktische Details zu bewährten und neuen klinischen Methoden, die die Herzen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer höherschlagen ließen. Roter Faden waren biologische Prinzipien und Möglichkeiten, Patienten minimal invasiv und damit gewebeschonend zu versorgen.


Aufbauverbindung und Kronenmaterial

Studien ebenso wie die tägliche Erfahrung zeigen es: Das periimplantäre Knochenniveau lässt sich bei epi- oder subkrestaler Implantatposition mit konischen Verbindungen und Platform-Switching stabilisieren1. Umfassend dokumentierte Vorteile haben hier CONELOG® Promote® Plus Implantate mit ihrer optimierten Implantatschulter und klar definierten Einbringtiefe im Verhältnis zum Knochen2. Hinzu kommt die hohe Fertigungspräzision der Abutmentverbindung, mit im Vergleich zu anderen führenden Implantatsystemen signifikant besserer rotatorischer und sehr guter vertikaler Positionstreue, auch nach wiederholter Montage3.

Der in Münster niedergelassene Privatdozent Dr. Arndt Happe zeigte anhand einer aktuellen Studie mit insgesamt 310 untersuchten Implantaten auch für CAMLOG® Promote® Plus mit Tube-in-Tube-Verbindung ein minimales Knochenremodeling. Dieses war signifikant geringer als bei einem Vergleichsprodukt4. Einbezogen wurden Einzelkronen und Brücken auf Titanbasen CAD/CAM, in Verbindung mit Zirkonoxid-Abutments oder - Abutmentkronen. Nach einer von der OR Foundation geförderten In-vitro-Studie erwiesen sich Hybrid-Abutmentkronen aus Lithiumdisilikat mechanisch belastbarer als solche aus Zirkonoxid (Dr. Joao Pitta, Universität Genf, Schweiz)5. Weitere klinische Studien sind hier noch erforderlich.


Platform-Switching und Abutmentwechsel

Dr. Happe betonte zugleich, dass eine tiefe Knochenpositionierung nur für Implantate mit konischer Verbindung und horizontalem Versatz des Abutments (Platform-Switching) geeignet ist. Dabei beeinflusst auch der Implantatdurchmesser das Emergenzprofil, das im Einklang mit biologischen Anforderungen im apikalen Anteil schlank gestaltet werden sollte6-8. In München bestand aufgrund der Literatur und klinischer Erfahrung überwiegend Einigkeit, dass das Konzept bewährt ist und bei Verwendung von CONELOG® Implantaten empfohlen werden kann9, 10.

Biologisch bedeutsam ist auch die Frage, wie häufig nach Implantation Gingivaformer, Abutment oder temporäre Abutmentkrone gewechselt werden11-13. Dr. Ana Molina (Universität Complutense Madrid, Spanien) zeigte im Young Clinicians‘ Research Forum anhand einer randomisiert-kontrollierten Studie, dass bei sofortiger definitiver Befestigung des Abutments auf CONELOG® SCREW-LINE Implantaten zirka 50 Prozent weniger Knochen verloren geht als bei einfachem Abutmentwechsel (0,7 vs. 1,4 mm nach 12 Monaten, Publikation in Vorbereitung).
 

Weichgewebe verdicken und verbreitern

Soll das Weichgewebe zunächst mit temporären Komponenten ausgeformt werden, haben sich CAD/CAM-Gingivaformer und Abformpfosten aus PEEK von DEDICAM® bewährt. In Verbindung mit intraoperativer Positionsbestimmung mit einem intraoralen Scanner lässt sich auf diese Weise minimalinvasiv und mit geringem Aufwand ein natürliches Emergenzprofil erreichen (Dr. Claudio Cacaci und Uwe Gehringer, Zahntechniker, beide München). Dieses ist später auch für die definitive CAD/CAM-Versorgung verwendbar. Den aktuellen Stand digitaler Workflows einschließlich Empfehlungen für die 3D-Planung präsentierten Dr. Dr. Anette Strunz (Berlin), Prof. Dr. Vygandas Rutkunas (Vilnius, Litauen) und Prof. Dr. Benedikt Spies (Universität Freiburg). Um periimplantären Knochenverlust zu vermeiden, empfiehlt der Privatdozent Prof. Dr. Michael Stimmelmayr (Cham) Platform Switching und eine Weichgewebsdicke von 3-4 mm über der Implantatplattform14. Ein möglichst dickes Gewebe sei besonders dann anzustreben, wenn ein Abutmentwechsel nicht vermieden werden kann. Weiterhin sollte das befestigte bukkale Weichgewebe 4 mm hoch sein. Während Vestibulumplastiken autogene Schleimhaut-Transplantate erfordern, lässt sich für Weichgewebsverdickungen mit Erfolg azelluläre dermale Matrix verwenden (zum Beispiel Novomatrix®)15, 16. Ein zusätzlicher operativer Eingriff mit entsprechender Patientenbelastung entfällt damit17. Erfolgsentscheidend ist jedoch laut Prof. Dr. Katja Nelson (Universität Freiburg), dass die Matrix möglichst komplett abgedeckt wird.


PRF mit großem Potenzial

Für aus Eigenblut gewonnenes Platelet Rich Fibrin (PRF) existiert wissenschaftliche Evidenz primär für Kieferkamm-Erhalt18, 19. Der Hamburger Zahnarzt Dr. Jan Klenke empfiehlt PRF zusätzlich für die Zubereitung von „Sticky Bone“, zum Beispiel in Kombination mit porzinem Knochenersatzmaterial (MinerOss® XP). In Verbindung mit allogenen Knochenblöcken hat sich das Blutprodukt laut Prof. Dr. Juan Blanco Carrión (Universität Santiago de Compostela, Spanien) auch für Defekte mit erheblichem Knochendefizit bewährt. Weitere in München gezeigte Indikationen für PRF sind Wundheilungsförderung und gesteuerte Geweberegeneration (GBR), zum Beispiel in Kombination mit porzinem Knochenersatzmaterial und azellulärer dermaler Matrix (Novomatrix®).

Als weitere minimal invasive und damit biologisch orientierte Techniken wurden unter anderem die Stanzung (Punch) vor Implantatfreilegung bei ausreichend vorhandenem Weichgewebe (Dr. Peter Randelzhofer, München), lappenlose Implantationen (Dr. Markus Schlee, Forchheim) und die Socket Shield-Technik mit bukkal belassenen Zahnscherben in der Oberkieferfront (Andreas van Orten MSc. MSc., Waltrop) an klinischen Beispielen demonstriert. Je schwieriger der Fall, desto wichtiger ist laut Prof. Dr. Stimmelmayr autologes Material.
 

Sofortimplantologie alternativlos?

Schnelle und minimal-invasive Protokolle erfordern weniger chirurgische Eingriffe, senken die Behandlungskosten und erhöhen dadurch die Patientenzufriedenheit. Die Erfolgsraten sind nach der Literaturanalyse der Oralchirurgin Dr. Ilaria Franchini (Mailand und Stuttgart) gut, allerdings nur bei korrekter Indikationsstellung und ausreichend klinischer Erfahrung20-22. Verzögerte Protokolle empfiehlt Franchini, wenn die Patientenmitarbeit schlecht, die ästhetische Prognose unsicher ist oder wenn akute Entzündung oder ungünstige Defektkonfigurationen vorliegen23. Einer dieser Faktoren reiche als Kontraindikation aus. Eine Reihe der in München gezeigten Patientenbeispiele wurde mit für Sofortimplantationen optimierten PROGRESSIVE-LINE Implantaten gelöst.

Für den Privatdozenten Dr. Markus Schlee sind Sofortprotokolle im Oberkieferfrontzahnbereich15 bis 25 bei gegebener Indikation alternativlos. Da Implantatachse und Emergenzprofil entscheidenden Einfluss auf die resultierende Weichgewebsdicke haben24, seien diese Faktoren bedeutsamer als der Phänotyp. Auch hier bieten laut Schlee CAD/CAM-Abutments entscheidende Vorteile. Auch für Dr. Sven-Marcus Beschnidt (Baden-Baden) sind Sofortprotokolle mehr als ein Trendthema und für Patienten ein großer Gewinn. Der niedergelassene Prothetik-Spezialist präsentierte eine Versorgung mit 3D-geführter Implantation und sofortiger definitiver Abutmentbefestigung, der eine mindestens dreimonatige Weichgewebsreifung folgen sollte25.
 

Zahnlose Patienten und Fallpräsentationen

In einer speziellen Session präsentierten Dr. Malin Strasding und Dr. Sabrina Maniewicz das Konzept der Universität Genf für alte und zahnlose Patienten. Eine von der OR Foundation geförderte Studie zeigt, dass Patienten für erfolgreiche Versorgungen in die Entscheidung einbezogen werden sollten26. Als Kommunikationsmittel eigneten sich zum Beispiel digitale ästhetische Analysen. Patienten sind bei geeignetem Erwartungs-Management sowohl mit festsitzenden, als auch mit abnehmbaren Lösungen zufrieden, wobei abnehmbare Prothesen in Bezug auf Funktion, Phonetik und Ästhetik signifikant besser abschneiden27. Trends bei Totalversorgungen sind laut Dr. Mario Beretta (Universität Mailand) eine geringere Implantatzahl, mehr Verschraubung und häufigere Sofortbelastung. Die Produktion von Stegen empfiehlt er modellfrei mit anschließender intraoraler Überprüfung, erst für die Prothesenherstellung sollten dann Modelle gedruckt werden28.

Drei überragend gelöste komplexe Fallpräsentationen mit anschließender Diskussion sorgten für einen würdigen Kongressabschluss. Auch hier standen minimal invasive Konzepte im Vordergrund, unter anderem mit festsitzender Implantatversorgung bei hoher Lachlinie (Dr. Duygu Karasan, Universität Genf), umfangreichen Knochengewinn durch magnetische Extrusion29 (Dr. Frederic Hermann, Zug, Schweiz) und lappenlose Sofortimplantation simultan mit kombiniertem Tubertransplantat (Dr. Ramón Gómez-Meda, Ponferrada, Spanien).
 

Fazit

Das Motto des Münchner ORIS-Kongresses lautete „Dreams & Reality – Treatment Concepts and Trends“. Experten aus Hochschule und Praxis zeigten eindrucksvoll, welche Methoden das regenerative und prothetische Ergebnis verbessern und Implantatversorgungen auch langfristig erfolgreich machen. Neben der klinischen Expertise spielen dabei sorgfältig entwickelte und dokumentierte Produkte eine wesentliche Rolle. Wer nicht in München sein konnte oder noch mehr zu den neuesten Entwicklungen erfahren will, besucht vom 18. bis 20. Mai 2023 das Oral Reconstruction Global Symposium in Rom.
 

Literatur – Kurzversion

1. Moergel, M., et al.; Clin Oral Implants Res 2021. 32 (8): 998-1007.
2. Schwarz, F., et al.; Clin Oral Implants Res 2014. 25 (4): 417-425.
3. Semper-Hogg, W., et al.; Clin Oral Investig 2013. 17 (3): 1017-1023.
4. Happe, A., et al.; Int J Comput Dent 2022. 25 (1): 37-45.
5. Pitta, J., et al.; Clin Oral Implants Res 2021. 32 (2): 222-232.
6. Gomez-Meda, R., et al.; J Esthet Restor Dent 2021. 33 (1): 173-184.
7. Happe, A., Körner G. Quintessence Publishing. 2018.
8. Happe, A., Körner G. Quintessence Publishing. 2019.
9. Mishra, S. K., et al.; Int J Oral Maxillofac Implants 2021. 36 (5): e97-e109.
10. Rocha, S., et al.; J Clin Periodontol 2016. 43 (4): 374-382.
11. Molina, A., et al.; Clin Oral Implants Res 2017. 28 (4): 443-452.
12. de Carvalho Barbara, J. G., et al.; Int J Oral Implantol (Berl) 2019. 12 (3): 283-296.
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15. Lissek, M., et al.; Int J Mol Sci 2020. 21 (14).
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17. Happe, A., et al.; J Esthet Restor Dent 2022. 34 (1): 215-225.
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Impressionen des OR International Symposiums 2022